Autonomes Fahren – Teil der Zukunftsstrategie von KEP Unternehmen

Andreas Schumann - Vorsitzender, Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V., BdKEP

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Zum Thema autonomes Fahren jagt inzwischen eine Meldung die nächste. In dieser Flut von Informationen den Überblick zu behalten und die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen abzuschätzen fällt neben dem Tagesgeschäft schwer. Das ist Anlass genug, die Themenbereiche zu sortieren und Entscheidungshilfen für KEP Dienste bereitzustellen.

Das Schlagwort „autonomes Fahren“ bezeichnet einerseits technologische Entwicklungen rund um Fahrzeuge, die sich in der höchsten Ausbaustufe vollkommen ohne Fahrpersonal im öffentlichen Verkehr bewegt. Speziell im Bereich der KEP-Nutzfahrzeuge sind mit dem Begriff „autonomes Fahren“ völlig neue Serviceangebote, Prozessabläufen und –kosten sowie die dazu benötigten Ressourcen wie Wissen, Fachpersonal, und Kapitalbedarf verbunden. Die Beherrschung der Systeme und Prozesse rund um das autonome Fahren wird zukünftig ein wesentlicher Erfolgsfaktor für KEP Unternehmen sein und entscheidend darüber bestimmen, welcher Anteil der Wertschöpfung im KEP-Unternehmen selbst realisiert wird.

Grundsätzlich sollten KEP Unternehmen entscheiden, ob sie sich mit dem Thema autonomes Fahren auseinandersetzen wollen. Falls ja, ist eine Positionsbestimmung notwendig. Darauf aufbauend kann entschieden werden, welche Kompetenzen zum Thema im Unternehmen oder über Kooperationen aufgebaut werden


Stufen des autonomen Fahrens

Die Entwicklung hin zum autonomen Fahren ist bereits im Gange. Die Entwicklung lässt sich in 6 Stufen einteilen:

Level 0: Fahrer fährt selbst

Level 1: Assistenzsysteme helfen Fahrern bei der Fahrzeugbedienung.

Level 2: Teilautomatisierung: Einzelne Vorgänge wie Einparken werden von Assistenzsystemen übernommen. Der Fahrer überwacht das System standig.

Level 3: Hochautomatisierung. Der Fahrer überwacht das System nicht dauernd. Er übernimmt bei Bedarf die Führung.

Level 4: Vollautomatisierung. Die Führung des Fahrzeugs wird dauerhaft vom System übernommen. Im Ausnahmefall übernimmt der Fahrer die Führung.

Level 5: Kein Fahrer erforderlich.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/SAE_J3016


Level 0 bis 3 sind Stand der Technik. Für Level 3 ist die Technologie bereits entwickelt. Aktuell werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen. Experten gehen davon aus, dass Level 5 technologisch bis 2020 und der rechtssichere Betrieb ab 2025 möglich ist.

Grundsätzlich sollten KEP Unternehmen entscheiden, ob sie sich mit dem Thema autonomes Fahren auseinandersetzen wollen. Falls ja, ist eine Positionsbestimmung notwendig. Welches Wissen zum Thema ist im Unternehmen vorhanden, welche Assistenzsysteme sind in den bereits Fahrzeugen im Einsatz. Darauf aufbauend kann entschieden werden, welche Ressourcen zum Thema im Unternehmen oder eventuell über Kooperationen aufgebaut werden. Es bietet sich an, diesen Prozess nicht als Unternehmen allein zu durchlaufen, sondern sich dazu mit gleichgesinnten Unternehmen zusammen zu schließen. So lassen sich Kostenvorteile aus reduziertem Aufwand und zusätzlicher Erfahrungszuwachs aus den Erkenntnissen der Gruppe realisieren.


Wissensaufbau & Personal

Für die Positionsbestimmung, den Wissensaufbau und die Zukunftsplanung müssen personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Das Thema sollte in der Geschäftsführung angesiedelt sein. Die Umsetzung kann über vorhandene Mitarbeiter oder über externes Personal vom Studenten bis zu Unternehmensberatungen erfolgen. Das erarbeitete Wissen sollte jedoch im Unternehmen selbst angesiedelt und nicht an externe Mitarbeiter gebunden sein.

Neben dem Aufbau von Fachwissen im Unternehmen ändern sich auch die Anforderung an das Personal. Der klassische KEP Fahrer wird mehr und mehr zum Piloten, vergleichbar mit Flugzeugpiloten, deren Arbeit schon heute massiv von Assistenzsystemen ausgeführt wird. Das Aufgabenfeld von traditionellen Disponenten wird sich gravierend verändern. Viele Dispoaufgaben übernimmt in autonomen Systemen die Software. Hier gilt es engagierte Vorreiter und Multiplikatoren im Unternehmen zu finden.


Veränderung in der Unternehmenskultur & Prozesslandschaft

Traditionelle KEP Unternehmen haben eine gewachsene Unternehmenskultur und Prozesslandschaft. Autonomes Fahren verändert beide Themenbereiche nachhaltig. Das erzeugt mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorbehalte und Ängste in der Organisationstruktur. Die Geschäftsführung sollte Strategien entwickeln, wie damit umgegangen wird. Besonders schwierig ist dieser Prozess dann, wenn Vorbehalte und Ängste in der Geschäftsführung selbst vorhanden sind.

Offene Standards unterstützen

Offene Standards für Datenaustauschformate und Sendungsnummern bieten besonders traditionellen KEP Unternehmen eine hohen Grad an Selbstbestimmung und niedrige Markteintrittsbarrieren. Über offene Standards können dezentral arbeitende stabile KEP-Netzwerke als Alternative zu proprietär arbeitenden Plattformen etabliert werden. Die Wertschöpfung in den Prozessketten verbleibt so mehr bei den KEP Unternehmen und fließt nicht an proprietär arbeitenden Plattformen ab.

Dazu ist die Entscheidung der Geschäftsführung notwendig, diese offenen Standards zu unterstützen und gegebenenfalls eigene Unternehmensstandards aufzugeben.


Service- & Prozessentwicklung

Zusammen mit den Stakeholdern Versender und Empfänger, interne und externes Personal sowie externen Impulsgebern wie Technologieanbietern, Wissenschaft und Forschung, Stadt und Gemeindeverwaltungen und  Startups können neue Serviceangebote und (Teil)Prozessabläufe erarbeitet werden.

Ziele können die Kostenreduktion in vorhandenen Prozessen sowie der Aufbau neuer Serviceangebote oder auch die öffentlichkeitswirksame Etablierung des traditionellen KEP Dienstes als Innovationsführer und bevorzugter Partner für neue Anbieter und Kundengruppen sowie Feldversuche von Technologieanbietern sein. So lassen sich zum Beispiel durch den Einsatz von unfallreduzierenden Assistenzsystemen Kostenvorteile bei der oft schwierigen Versicherung von KEP Fahrzeugen bzw. bei der Reduzierung von Betriebs- und Unfallkosten realisieren.


Finanzierung & Amortisation

Der Einsatz autonomer Systeme verursacht in der Regel bisher nicht geplante Einstiegsinvestitionen. KEP Unternehmen erzielen oft nur geringe Deckungsbeiträge und haben eine knappe Kapitalausstattung. Der Erfolg von Investitionen in autonomes Fahren bzw. Systeme hängt maßgeblich von einer stabilen und optimierten Prozesslandschaft ab. Nur wenn die Kostentreiber und ihre Einflussgrößen bekannt sind und aktiv gesteuert werden können, werden sich die Investitionen rentieren.

Traditionelle KEP Unternehmen müssen dazu neue Modelle zur Finanzierung der Einstiegsinvestitionen aufbauen. Parallel sind entsprechende Prozesslandschaften aufzubauen. Dazu ist der Zugriff auf neue Netzwerke und Kooperationspartner notwendig.


Neue Netzwerke und Kooperationspartner

Im Kontext mit der Einführung autonomer Fahrzeuge und Systeme bewegen sich KEP Dienste in neue Netzwerke hinein und bauen Kontakt zu neuen Geschäftsspartnern auf.

Die Wechselwirkung autonomer Systeme mit Themen der Stadtentwicklung, Fragen zur IT Sicherheit, Akzeptanz in der Bevölkerung, bei Behörden und Verwaltungen, Wissenschaft und Forschung, Plattformbetreibern und Herstellern autonomer Systeme, Elektromobilität und Nachhaltigkeit müssen sich in der Unternehmensstrategie widerspiegeln. Die Geschäftsführung ist aufgefordert die betreffenden Stakeholder zu identifizieren und neue Beziehungen aufzubauen.


siehe auch: Zukunft der Mobilität#AutonomesFahren