Kurier-, Express- und Paketdienste sind moderne Grundversorgungsdienstleister

Carsten Hansen - Leiter Innenstadt Logistik - Bundesverband Paket und Expresslogistik e.V. - BIEK

Wieso wächst der Online-Handel und welche Konzepte haben die Kurier-, Express- und Paketunternehmen (KEP), mit dem Wachstum umzugehen?

Online-Handel bedeutet die Unabhängigkeit der Konsumenten vom örtlichen Warenangebot. Während die durchschnittliche Artikelzahl in einem Warenhaus bei ca. 50.000 liegt, bietet ein bedeutender Online-Händler allein über 229 Mio. Artikel. Prinzipiell ist das Online-Warenangebot unbegrenzt. Diese Waren werden real an die Empfänger versandt. Dabei entsteht Verkehr.

Die KEP-Dienste decken diese Transportnachfrage. Um dem steigenden Sendungsaufkommen gerecht zu werden, bieten sie neben der Haustürzustellung Zustellkonzepte an, bei denen die Kunden die Waren verkehrsarm zu Paketshops, anbieteroffenen Paketstationen, zum Arbeitsplatz, Pick-up-Points oder anderen Übergabepunkten liefern lassen können. So vermeiden sie erfolglose Zustellversuche und damit unnötige Verkehre.

Wieso müssen unterschiedliche Paketdienste in der ganzen Stadt unterwegs sein? Würde es nicht Verkehr sparen, wenn sie nur in einem Teil der Stadt zustellen, dafür aber die Pakete anderer Zusteller mitnehmen?

KEP-Unternehmen bündeln Verkehre effektiv, indem sie die eingesetzten Fahrzeuge voll auslasten und die gemischten Zustell- und Abholtouren effizient planen. Rund 150 Pakete werden pro Tour mit einem Transporter zugestellt. Würden sie sich auf ein Gebiet beschränken und die Sendungen anderer Unternehmen mit ausliefern, dann müssen die Pakete unterschiedlicher Zusteller, die für das Teilgebiet bestimmt sind, zusammengeführt, also „konsolidiert“ werden. Dabei entstünden zusätzliche Verkehre von den verschiedenen Depots zum „Konsolidierungsdepot“. Außerdem verändert sich nicht das Sendungsaufkommen. Die gleiche Menge an Paketen kann nicht mit weniger Fahrzeugen transportiert werden, weil die vermuteten Leerkapazitäten nicht vorhanden sind. Wenn die Zustellgebiete verkleinert werden, um Kapazitäten für die Aufnahme von Paketen anderer Unternehmen „zu schaffen“, werden neue Zustellgebiete geschaffen, die ebenfalls mit Fahrzeugen beliefert werden. entsteht im Ergebnis mehr Verkehr, nicht weniger.


Kurier-, Express- und Paketdienste sind moderne Grundversorgungsdienstleister

Eine der bemerkenswertesten Änderungen im Alltag der meisten Menschen, die durch die Digitalisierung eingetreten ist, ist so unauffällig wie fundamental. Menschen müssen, um ihre Einkäufe zu tätigen, nicht mehr zu bestimmten Orten wie Märkten oder stationären Geschäften gehen. Sie können prinzipiell alles online von überall auf der Welt kaufen. Nur die gekauften Waren müssen noch bewegt werden. Diese Aufgabe übernehmen zu wesentlichen Teilen die Kurier-, Express- und Paketdienstleister (KEP). Immer größere Warenmengen werden nicht mehr als Speditionsgut über den Einzelhandel distribuiert, sondern als Paketgüter versandt. Das Sendungsaufkommen in Deutschland hat sich als eine wesentliche Folge dessen von 2000 bis 2018 quasi verdoppelt.  


(Quelle: BIEK, KEP-Studie 2018).

Veränderung des Lebens in der Stadt durch Online-Handel und KEP

Die steigenden Sendungsmengen führen zu einem wachsenden Verkehrsanteil der KEP-Verkehre in den Städten. Dieser ist zwar mit ca. 6 Prozent Anteil an den Stadtverkehren relativ klein verglichen mit den übrigen Wirtschaftsgüterverkehren sowie den privaten und wirtschaftlichen Personenverkehren, aber er existiert. Besonders zu sog. Peak-Zeiten wie Weihnachten und Ostern, an denen sich das Paketaufkommen phasenweise verdoppelt, wird das Wachstum in Form zusätzlicher Fahrzeuge auf den Straßen sichtbar.

Schon das alltägliche Sendungsaufkommen bedeutet, dass fast 7,5 Prozent der Menschen in Deutschland täglich Sendungen erhalten (ca. 11 Mio. Sendungen an ca. 6 Mio. Empfänger). Auch die verkehrlichen Auswirkungen des stationären Einzelhandels haben sich geändert. So erhält der Einzelhandel, besonders Einzelhändler mit kleiner Verkaufsfläche, seine Verkaufsgüter zunehmend durch Paketdienste angeliefert. Erhebungen der TH Nürnberg im Auftrag des BIEK zeigen, dass der Anteil der KEP-Lieferungen an Einzelhändler mit weniger als 500 m² Verkaufsfläche in der Nürnberger Innenstadt 78 Prozent beträgt.Ähnliche Werte sind in der Kölner Innenstadt bei Einzelhändlern mit einer kleineren Verkaufsfläche festzustellen. Für Same-Day-Delivery als spezielles Angebot des Online-Handels ist die räumlich differenzierte Verfügbarkeit von Waren beim stationären Einzelhandel („Cross Channel“) die Voraussetzung.

KEP-Dienstleistungen sichern also die Geschäftsgrundlagen des nicht filialisierten Einzelhandels und des Online-Handels. Mit Blick auf die Konsumenten tragen sie zur Daseinsvorsorge der Einwohner in den Städten bei, indem sie moderne Grundversorgungsaufgaben wahrnehmen.



Info:

Definition Daseinsvorsorge (Gablers Wirtschaftslexikon): „Daseinsvorsorge umfasst die Sicherung des öffentlichen Zugangs zu existentiellen Gütern und Leistungen entsprechend der Bedürfnisse der Bürger (die dieser nicht selbst erbringen kann), […]“

Ernst Forsthoff, der Begründer unseres heutigen Daseinsvorsorgeverständnisses („Die Verwaltung als Leistungsträger“, Kohlhammer, Stuttgart, 1938): „Mit der Schrumpfung des individuell beherrschten Lebensraumes hat der Mensch die Verfügung über wesentliche Mittel der Daseinsstabilisierung verloren. Er schöpft das Wasser nicht mehr aus dem eigenen Brunnen, er verzehrt nicht mehr die selbstgezogenen Nahrungsmittel, er schlägt kein Holz mehr im eigenen Wald für Wärme und Feuerung.“ … und er kann die Vielfalt und Menge der Warensendungen aus Mangel an Zeit oder Transportkapazitäten nicht mehr selbst ins eigene Lebensumfeld bringen.



Die beschriebene Entwicklung stellt eine fundamentale Herausforderung für die Städte dar. Diese waren in der Vergangenheit immer vorrangig ein Platz von gewerblicher Produktion und des Handels. Die Handelsfunktion wird durch den Online-Handel in Frage gestellt. Die Veränderungen bedeuten für die Städte, dass sie die wichtige Aufgabe haben, die Infrastruktur für die Versorgung der Menschen mit Waren bis in die Wohngebiete, ja sogar bis an die Haustüren der Einwohner und nicht mehr nur bis zu den Märkten und Geschäften sicherzustellen. Die Gewährleistung der dafür erforderlichen logistischen Infrastruktur ist eine neue Aufgabe, die entscheidend zur Funktion von Städten, zum Erfolg der Daseinsvorsorge durch KEP-Dienste und zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt.


Veränderungen des ländlichen Lebens

Onlinehandel wirkt sich hinsichtlich der Erreichbarkeit der modernen Warenwelt in den ländlichen Räumen ebenso wie in den Städten aus. Online-Handel ist sogar noch bedeutsamer für die Versorgungsfunktion, weil die Folgen von Geschäftsaufgaben in ländlichen Räumen schneller und deutlicher negativ spürbar werden, denn die Dichte an Dienstleistungsangeboten des Handels ist nicht so groß wie in den Städten. Daraus ergibt sich auch für die KEP-Dienstleister eine besondere Bedeutung für die Versorgung. Nicht nur mit Blick auf die Empfänger von Sendungen, auch mit Blick auf die Versender in ländlichen Räumen sichern die KEP-Dienstleister zusammen mit Speditionen die Distribution der Online-Händler.

Allerdings gibt es auch in ländlichen Räumen Herausforderungen. Diese liegen weniger in der Überlastung der Verkehrsinfrastruktur oder der Flächenknappheit für Logistikflächen, als vielmehr in ungünstigeren betriebswirtschaftlichen Parametern.

Zwar ist das Bestellverhalten der Bevölkerung in ländlichen Räumen und in Städten im Wesentlichen gleich, sowohl hinsichtlich der Intensität als auch hinsichtlich der Verteilung auf die unterschiedlichen Altersgruppen, aber in ländlichen Räumen wohnen weniger Menschen und damit weniger Kunden als in den Städten. Da zudem das B2B-Aufkommen geringer ist, ist auch das Gesamtaufkommen der Sendungen geringer. Damit einher geht ein geringerer Bündelungseffekt bei der Zustellung, was zu ungenutzten Kapazitäten führen kann. Des Weiteren sind die Wege zu den Kunden wegen der weniger dichten Besiedelung weiter.


Lösungen des Handels und von KEP

KEP-Dienste übernehmen, wie gezeigt, Grundversorgungsaufgaben in den Städten und in fast noch höherem Maße auch in den ländlichen Räumen. Sie arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung der Aufgabenerfüllung, wie zahlreiche Innovationen zeigen. Nur beispielhaft ist zu nennen: Sendungsverfolgung erlaubt es den Kunden bis kurz vor den Zustellungszeitpunkt, den Ort und die Zeit der Zustellung zu verändern (Umrouten). Die Zeitfensterzustellung erlaubt es, die Sendungen dann zuzustellen, wenn die Kunden für den Empfang bereit sind. Paketstationen und -boxen erlauben eine Zustellung ins unmittelbare Umfeld der Kunden, unabhängig von deren Anwesenheit. Die Einführung von Mikro-Depots als zusätzlicher Distributionsstufe im Nahraum der Kunden erlaubt eine emissionsfreie und verkehrssparsame Zustellung mit Lastenrädern. Das wirkt sich als Zugewinn an Lebensqualität in den Städten aus. Für ländliche Räume bedeuten die KEP Dienstleistungen einen starken Beitrag zum politischen Ziel der Gewährleistung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland.

Daneben kann sich das Zusammenwirken von Online- und Offline-Strukturen des Handels positiv auf die Wettbewerbsqualität des Einzelhandels in den Städten auswirken, wenn das Leistungsspektrum der KEP-Dienste genutzt wird. Der Onlinehandel ermöglicht den Konsumenten einen prinzipiell unbegrenzten Zugang zum weltweiten Warenangebot. Damit ist der stationäre Einzelhandel überfordert. Umgekehrt kann der Onlinehandel (noch) nicht die konkrete Beratungsleistung und das unmittelbare Einkaufserlebnis des stationären Handels bieten. Beides lässt sich aber zu einem aus Kundensicht befriedigenden Erlebnis verbinden, wenn online bestellte Waren aus dem Bestand beim stationären Handel in kürzester Zeit (Same-Day-Delivery) geliefert wird.

Allerdings ist die Qualität der KEP-Dienstleistungen zum Teil auch von der Kooperation der Städte abhängig. Die zunehmend auftretende Überlastung der Straßen in den Städten (Staus) erschwert die sichere und pünktliche Zustellung. Zu wenige von Fremdnutzung freigehaltene Ladezonen und Parkplätze führen zum „Zweite-Reihe-Parken“ bei der Zustellung. Fehlende Flächen für (mobile) Mikro-Depots führen dazu, dass weniger Zustellung mit Lastenrädern oder zu Fuß erfolgt, als es möglich wäre.


Zusammenfassung und Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Paketzustellung

Das Sendungsaufkommen wird sehr wahrscheinlich weiter ansteigen. Online-Handel kommt dem Bedürfnis der Konsumenten nach weitestgehend individuellen Konsumvorstellungen entgegen. Die weitere Verringerung der Sendungsgröße und Wünsche nach möglichst unmittelbarer Lieferung sind erwartbare Folgen. Die gegenwärtigen Zustellkonzepte werden dadurch herausgefordert, denn sie sind nicht beliebig skalierbar. Um ohne Innovationen mehr Sendungen in den Städten zu den Empfängern zu bringen, wären mehr Fahrzeuge, größere Fahrzeuge, mehr Zusteller und mehr Platz auf den Straßen erforderlich. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass solche Bedarfe unter den Bedingungen des Fachkräftemangels und der begrenzten Infrastruktur in den Städten zu decken sind. Städte können aber eine gewichtige Rolle dabei spielen, die kommenden Herausforderungen zu bewältigen, wenn sie logistische Bedarfe stärker in ihre Verkehrs- und Stadtentwicklungsplanungen integrieren. Sie würden damit die realen Veränderungen, die im Handel und in der Lebensführung der Einwohner stattgefunden haben, aufnehmen und sozusagen einen Teil der physisch-analogen Voraussetzungen der smarten digitalen City schaffen.   

Eine wichtige Rolle werden in Zukunft durch Digitalisierung ermöglichte Innovationen spielen. Möglich und wahrscheinlich werden automatisierte und ggf. autonome Zustellkonzepte sein. Autonome Fahrzeuge werden es ermöglichen, dass Zusteller sich noch stärker als heute auf die Zustellung konzentrieren können und von Fahraufgaben entlastet werden. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist auch das verbesserte Matching von Sendung und Empfänger, wodurch der individuellen Zustellung im Rahmen der Tourenplanung eine weiter wachsende Bedeutung zukommen wird. 


Best Practice

City2Share München - UPS

Das Logistik-Unternehmen UPS hat nach erfolgreicher Erprobung des Mikro-Depot-Konzepts in Hamburg im Rahmen des City2Share-Projekts im Juli 2017 den Testlauf von drei Mikro-Depots in München gestartet: Paket-Container werden morgens im Quartier aufgestellt und abends wieder abgeholt. Tagsüber liefern Zusteller die Sendungen per Lastenrad oder zu Fuß mit der Sackkarre an die Haushalte. Ziel der Aktion ist es, den Lieferverkehr zu reduzieren und einen Beitrag für mehr nachhaltige Mobilität zu leisten. Ein Mikro-Depot gibt es im Glockenbachviertel (Am Glockenbach 14), weitere Standorte am Schlachthof und am Kidlerplatz. Seit Projektbeginn ist das Bediengebiet mehrfach ausgeweitet worden.

Eröffnung Micro-Depot Am Glockenbach, 2017

Quelle: https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Stadtplanung-und-Bauordnung/Verkehrsplanung/Projekte/City2Share.html

Kontakt

Landeshauptstadt München

Referat für Stadtplanung und Bauordnung

Abt. 3 Verkehrsplanung

Blumenstraße 31

80331 München

E-Mail: city2share@muenchen.de



Pilotprojekt zur nachhaltigen Stadtlogistik durch KEP-Dienste mit dem Mikro-Depot-Konzept auf dem Gebiet der Stadt Nürnberg – DPD und GLS

City-Logistik 2.0 in Nürnberg: Die Kurier-, Express- und Paketunternehmen DPD und GLS haben unter wissenschaftlicher Leitung der Technischen Hochschule Nürnberg den Einsatz von Mikro-Depots und Lastenrädern in der Innenstadt und in einem Wohngebiet geprüft. Unterstützt wurde das Projekt vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sowie von der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Stadt Nürnberg. Der offizielle Startschuss zu diesem Pilotprojekt fiel am 8. April 2016 in Nürnberg.

Innovative Lösungen für die sogenannte letzte Meile sollten erarbeitet und anschließend in der Praxis erprobt werden. Der Erfolg ist eingetreten. Lastenräder sind als Alternative zur herkömmlichen Zustellung geeignet, wenn die Besiedelung dicht genug ist – dort könnten dann aber 80 bis 90 Prozent der Pakete per Rad zugestellt werden. DPD hat deshalb mittlerweile auch von fünf auf acht Räder aufgestockt. Nach einer Ausweitung werden auch Teile der Nordstadt Nürnbergs per Rad beliefert. Auch GLS hat die Radlieferungen ausgeweitet. Waren am Anfang noch drei Räder in der Innenstadt unterwegs, sind es mittlerweile bereits fünf, die auch die Südstadt beliefern.

„In Städten ab 100.000 Einwohnern sind mindestens 30 Prozent der Pakete mit dem Rad lieferbar", sagt Prof. Dr.-Ing. Ralf Bogdanski.


Kontakt:

Projektleiter Prof. Dr. Ralf Bogdanski

Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm

Kompetenzzentrum Logistik

Bahnhofstraße 87

90402 Nürnberg

E-Mail: stefanie.mueller@th-nuernberg.de


© Günter Distler