Föderative Logistikplattformen - Definition, Regelwerk, Rollen

Andreas Schumann - Vorsitzender, Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste e.V., BdKEPFlorian Seikel - Director Public Affairs & Verbandswesen - Händlerbund 


Inhalt


1. Allgemein

Auf Basis der allgemeinen AusfĂĽhrungen zu Definition, Eigenschaften und Aufbau von Plattformen wird in diesem Kapitel die Struktur einer föderativen offenen Logistikplattform entwickelt.

Als föderative Logistikplattform bezeichnet man Geschäftsmodelle, die sich nicht auf das Management einer eigentlichen Logistikwertschöpfungskette, sondern auf die VerknĂĽpfung von Versendern, Logistikern und Empfängern spezialisieren. Plattformen bringen Nachfrage und Angebot so zusammen, dass diese frei interagieren können.

Föderative Logistikplattformen

  • definieren Regeln fĂĽr das Zusammenwirken der Beteiligten wie zu Fairness, Entscheidungsfindung und offenen Standards

  • stellen sicher, dass Anbieter und Nachfrager geringe HĂĽrden zur Teilnahme vorfinden

  • ĂĽben durch die vorhandenen Anbieter und Nachfrager eine Sogwirkung auf neue Beteiligte aus

  • geben den Beteiligten Sicherheit bezĂĽglich der Abwicklung von Transaktionen, beispielsweise als
    • Trustcenter - Angebote von Anbietern werden genutzt, den man sonst nicht vertrauen wĂĽrde – „Plattformvertrauen“ wird vererbt
    • Relegungen zu Garantie oder Gewährleistung,
    • Billing- oder Clearingcenter
  • helfen Anbietern und Nachfragern neue Märkte zu erschlieĂźen

  • öffnen Märkte fĂĽr neue Anbieter und Nachfrager

  • können Wissen aus der Kombination von bisher nicht kombinierbaren Daten neues Wissen aufbauen

  • erzeugen Wettbewerb zwischen Anbietern auf der Plattform

  • stehen im Wettbewerb mit anderen Plattformen

2. Föderative Logistikplattformen

Föderative Logistikplattformen sind freiwillige ZusammenschlĂĽsse eigenständig bleibender Beteiligte aus mehreren voneinander abgegrenzten und unabhängigen Umgebungen. Die Beteiligten arbeiten branchenĂĽbergreifend gleichberechtigt und weitgehend autonom bei der Erreichung gemeinsamer Ziele zusammen. Ziele der Beteiligten sind wirtschaftliche geld- oder sachleistungsbringenden Tätigkeiten sowie die Stärkung ihrer Interessen gegenĂĽber Dritten. 

Föderative Logistikplattformen sind offene Systeme, die schnelle, kostengünstige sowie vertrauenswürdige (elektronische) Transaktionen zwischen Anbietern und Nachfragern ermöglichen. Diese Transaktionen nennt man auch Vertrauensdienste.

Vertrauensdienste entfalten Wirkungen auf Dritte außerhalb der jeweiligen in sich geschlossenen Systeme. Sie betreffen Transaktionen zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen, Konzernen und anderen Beteiligten wie Verbraucher und Behörden. Sie kennzeichnen nicht die Systeme, die Transaktionen innerhalb geschlossener Unternehmensstrukturen beispielsweise innerhalb von Konzernen abwickeln.

Die Plattform bietet grundsätzlich keine eigenen Technologieanwendungen an. Die Beteiligten bleiben „Herr ihrer Daten“. Andere Vorgehensweisen können vereinbart werden. Sofern die Plattform selbst Technologien oder andere Ressourcen benötigt, werden sie vorzugsweise bei den Beteiligten eingekauft bzw. von ihnen betrieben.

Die Beteiligten können

  • Nutzer der Leistungen als Anbieter oder Nachfrager,
  • MiteigentĂĽmer und somit Träger der Willensbildung und Kontrolle,
  • sowie Kapitalgeber der Plattform sein.

Sie regeln ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten selbst. Die Plattform wird ĂĽber ihre Organe verwaltet und kontrolliert. Organe der Plattform sind Vorstand, Aufsichtsrat und EigentĂĽmerversammlung. Besonders wirksam ist die Selbstverwaltung dann, wenn die Beteiligten gleichzeitig Nutzer und MiteigentĂĽmer sind. 


3. Funktionen föderativer Logistikplattformen:

  • unterstĂĽtzen die Beteiligten bezogen auf Vertraulichkeit, sachgemäßen Umgang, Eigentumsrechte an eingebrachten Daten, Wissen und anderen Ressourcen
  • ermöglichen Transaktionen indem der Zugang zu geeigneten Softwareanwendungen und Know How bereitgestellt werden
  • gewährleisten, dass die Beteiligten angemessen und zweckmäßig am Wert der eingebrachten Ressourcen partizipieren können
  • stellen Instrumente und Regelsysteme bereit, mit deren Hilfe die Mitglieder ihr Selbstbestimmungsrecht um- und durchsetzen können
  • organisieren oder unterstĂĽtzen Netzwerke, ĂĽber die die Interessen der Mitglieder gegenĂĽber Dritten geschĂĽtzt und durchgesetzt werden können
  • entwickeln und etablieren offene Standards als Basis fĂĽr effiziente Transaktionsabwicklung und niedrige diskriminierungsfreie Eintrittsschwellen fĂĽr die Beteiligten


4. mögliche Aufgaben föderativer Logistikplattformen

  • rechtlicher Träger gemeinsam genutzter Infrastrukturen beispielsweise Zugangslösungen zu Track & Trace Daten
  • Absicherung gemeinsamer Infrastrukturen gegen Beherrschung durch einzelne Marktteilnehmer beispielsweise durch groĂźe IT Unternehmen
  • Entwicklung und Umsetzung neuer Services und Standards initiieren:
    • One-Stop-Shop Lösungen fĂĽr grenzĂĽberschreitende Warenverkehr (Mwst., Zoll)
    • gesicherte Ăśbermittlung rechtskonformer Dokumente (Rechnung, Gewährleistung, Garantie ...)
    • Entwicklung offener Standards (Sendungsnummern, Paketboxen, EmpfängerverfĂĽgungen ...)
    • Verwaltung und/oder Zugang zu EmpfängerverfĂĽgungen, Schnittstellen zu nationalen und internationalen Logistiksysteme, Sendungsdaten (Sendungsnummer, FrachtfĂĽhrer ...)
    • Trustcenter fĂĽr Garantiefälle, Reklamationen, Clearingprozesse




Merkmal

Plattform

Pipeline/ Wertschöpfungskette

Synonym:

Marktplatz

Logistikdienstleister

Angebot und Nachfrage:

ungesteuert (d.h. jeder, der bestimmte Voraussetzungen erfolgt, kann anbieten oder nachfragen)

gesteuert (d.h. z.B. Einkauf und Erbringung nur bestimmter KEP-Leistungen)

Anzahl Anbieter und Nachfrager:

unbegrenzt

begrenzt (durch Auswahl der KEP & IT Dienstleister)

Interaktion der Marktteilnehmer:

frei

durch KEP Netzwerkanbieter gesteuert

Nötige Infrastruktur:

elektronisch, z.B. Server

elektronisch und physisch, Software und Fahrzeuge

Wertschöpfung durch:

ZusammenfĂĽhren der Marktteilnehmer

Auswahl von Anbietern (KEP Dienste) oder Nachfragern (z.B. Versendern Empfänger)