Walter Trezek - Ecommerce Europe | Florian Seikel - Händlerbund | Johannes Drijkoningen - Händlerbund

Inhalt:

Verzerrter Wettbewerb durch Warenbriefe mit geringem Wert

Die stark wachsenden Warensendungsmengen [1] an grenzüberschreitendem E-Commerce, hauptsächlich aus Asien (China) in die EU / den EWR, sind das Resultat einer Wettbewerbsverzerrung. Die Wettbewerbsverzerrung wird durch ungleiche Rahmenbedingungen zum Nachteil von Händlern und dem Handel in der EU / dem EWR verstärkt.  

Die Regulierung ist gefordert, um nicht nur faire Wettbewerbsbedingungen wieder her zu stellen, sondern auch, gleiche Marktzugangsbedingungen für alle Marktteilnehmer durchzusetzen. Sonst führt Mehrwertsteuerhinterziehung, Zollbetrug, Produktpiraterie und die Nutzung von Posttarifen zu Grenzkosten, zu schwerwiegenderen Marktverzerrungen im E-Commerce und zu weiteren Schäden für den europäischen Handel.

Der E-Commerce in Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Wachstum ist im zweistelligen Bereich für die kommenden Jahre scheint gesichert. Wachstumsraten im grenzüberschreitenden E-Commerce sind doppelt so hoch wie in den nationalen europäischen Märkten.

Warenbriefe haben das Potential zur Marktverzerrung

Ein genauerer Blick auf den Markt für grenzüberschreitende Warenbriefe (s.g. „small packets [2]“) offenbart ein anderes Bild:

Trittbrettfahrerei auf dem geistigen Eigentum Anderer

Der aktuelle „de facto systemfremde“ Warenbriefkanal fördert Produktpiraterie. 2,5 % des Welthandels (2013) und sogar 5 % des EU-Imports sind Fälschungen. China ist bei weitem, mit mehr als 80 % aller erfassten Fälschungen, die Quelle des Übels.

Die Nachfrageseite spielt eine wichtige Rolle, es gibt einen Zusammenhang zwischen wachsenden Sendungsmengen und steigender Mittäterschaft der Verbraucher. In den letzten 12 Monaten kauften 7 % eine Fälschung, in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen waren es 15 %.

Der bestehend Zustellkanal fördert diese Wettbewerbsverzerrung. Der zunehmende Anteil der Warensendungen („small packets“) erhöht die Verfahrenskosten bei Zoll- und Finanzbehörden und fördert kriminelle Aktivitäten.

Der europäische Verbraucherschutz und die Gesetzgebung zur Durchsetzung produktbezogener Garantien und Gewährleistung, ganz zu schweigen von Produktsicherheitsstandards und Rechten an geistigem Eigentum, werden durch gerade diesen Zustellkanal im E-Commerce aufs Spiel gesetzt.

Hinweis: Gefordert ist, die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu entwickeln, damit rechtmäßiger Handel nicht, jedoch jene Handelsströme getroffen werden, die derzeit die Defizite des (Post-) Systems für sich nutzen (wie oben beschrieben).

Förderung des Handels – kontra – Wettbewerbsverzerrung

Grenzüberschreitender E-Commerce nach Europa fördert den Handel dann, wenn er effizient und nachhaltig angelegt und politische und andere Interessengruppen eingebunden werden.

Vorteile, die im E-Commerce aus nicht-ökonomischen Überlegungen abgeleitet entstehen (etwa wie: die Wahl von Vertriebskanäle um Mehrwertsteuer- und Zollbetrug zu begehen; sich auf kriminelle Aktivitäten wie Produktpiraterie einlassen; die Nutzung von Endvergütungen um die Zustellung zu Selbstkostenpreisen zu erkaufen; oder die Vermeidung sich an EU bzw. EWR Konsumentenrechten halten zu müssen) werden als nicht nachhaltig und ineffizient angefochten.

Änderung der Rahmenbedingungen des E-Commerce in Europa

Legislative Maßnahmen

Umsatzsteuerpflicht für Waren mit einem Wert < 22 € (Aufhebung der „de-minimis“ Beihilferegelung); zwischen 22 € und 150 €; sowie zudem Zölle > 150 €; + Verbrauchsteuern – Umfangreiche IT-Entwicklung und die entsprechende Einführung (einschließlich der Einbeziehung der betroffenen Interessengruppen) sind notwendig.

Der One-Stop-Shop für die MwSt. und die Mehrwertsteuerhaftung für Marktplätze (Fiskalvertretung) zur Abführung der MwSt. werden umgesetzt

CEN/TC331 WG2 entwickelt fortgeschrittene elektronische Datenaustauschsysteme (EAD) für Zoll- und Transportsicherheit, auf Basis der postalischen EAD Normen und den Arbeiten der Projektgruppe der Europäischen Kommission zu grenzüberschreitenden Warensendungen mit geringem Wert („low value consignment“ LVC) bzw. dem EU E-Commerce-Paket zu „super- reduzierten Datensatz“. Die notwendigen technischen Spezifikationen für die Implementierung werden parallel entwickelt, sobald der super reduzierte Datensatz und die technischen Spezifikationen erstellt sind.

Risiken für den Online-Handel

Effizienz- und Lieferrisiken stellen ein großes Risiko für den E-Commerce dar. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Zollabfertigungsverfahren nicht auf die Logistikprozesse abgestimmt sind und es dadurch zu unkontrollierbaren Risiken kommen kann. 


Walter Trezek, Oktober 2018


[1] Warensendungen mit geringem Wert oder „Low Value Consignment“ (LVC): es handelt sich um Warensendungen bis zu einem Wert von EUR 150,-

[2] Die Produkt- und Dienstleistungskategorie “Small Packet” im weltweiten Postnetz des Weltpostvereins (UPU) ist eine kommerzielle Postsendung, die Waren (mit oder ohne Wert) bis zu einem Gesamtgewicht von 2 KG beinhaltet. Spezielle Terminierungsentgelte gelten. Damit werden die bei der Zustellvergütung die Grundlagen der Briefpostvergütung angewandt. Die anfallenden Terminierungsentgelte sind im Bereich der Stückvergütung deutlich höher, der UPU S10 Barcode ist verpflichtend und fortgeschrittene elektronische Datenaustauschsysteme sind bis Ende 2020, sowohl für Zölle und Importabgaben, aber auch für die Sicherung der Transportsicherheit zu unterstützen.

[3] Passend für Briefkästen gemäß DIN EN 13724: Postalische Dienstleistungen – Einwurföffnungen von Hausbriefkästen – Anforderungen und Prüfungen